DT 87 21

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         XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
         XXXX LESERHISTORY XXXX
         XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

             von WINTERMUTE






  



Nach der Trennung meiner Eltern ging ich
im  Alter von 7 Jahren mit meiner Mutter
nach West-Berlin.  Meinen Vater besuchte
ich  ab  dann jedes zweite Wochenende in
Hannover.

Bei  den regelmäßigen zwischenzeitlichen
Telefonaten erzählte er mir einmal, dass
er  sich  einen  Computer zugelegt hatte
(einen nagelneuen C64-II + den Luxus ei-
nes 1541c Diskettenlaufwerks).  Mit  ihm
könne  man sogar ein richtiges Flugzeug,
eine Piper 181 Cherokee Archer, fliegen.

Mit allen Instrumenten und  den  Proble-
men,  die  es  damit gibt. Er hätte auch
Karten,  wo  er  richtigen Instrumenten-
Flug machen kann. Unvorstellbar!

Beim  nächsten Besuch konnte ich mit Sub
Logics  Flugsimulator  II  selbst  einen
Landeanflug probieren. Wahnsinn!

Die  Grafik  war super realistisch: Wet-
terbedingungen wurden simuliert, die In-
strumente  zeigten  alle  echte Werte an
und  in  der  Nähe des Flughafens  stand
auch ein Wolkenkratzer, der gleich erst-
mal umflogen und dann gerammt wurde.

Die Faszination für Informatik entbrann-
te bei mir sofort: In der  Schule  hatte
ich  schon  große  Freude an  Physik und
Elektronik  und  es  beeindruckte  mich,
welch  unzählige  interdisziplinäre Ent-
wicklungen in so einem  Computer  steck-
ten:  die  Chemie, die für die Realisie-
rung  einer  Diskette  und  den  anderen
Kunststoffen notwendig war,  die  Mecha-
nik, mit der ein Diskettenlaufwerk funk-
tionierte, die Elektronik, die im Compu-
ter  selbst,  in  den  Netzteilen und im
Diskettenlaufwerk steckte.

Und  nicht  zu verschweigen die Informa-
tik, die  dem  Computer  Betriebssystem,
die freundliche Programmiersprache BASIC
und   die  unzähligen  bunten  Programme
brachte.  Dem Computer Befehle zu geben,
die er dann  (na gut, anfangs nur manch-
mal)  ausführte,  faszinierte mich um so
mehr.

Nachdem  die  ersten Spiele aufgetrieben
waren, verbrachte ich an den Wochenenden
dann schon mehr Zeit mit dem C64 als mit
meinem Vater, der sich auch schon zu be-
schweren begann.


Irgendwann  kaufte sich mein Vater einen
Atari 1040 ST und der C64 gehörte fortan
mir. Ich konnte es  kaum  abwarten,  den
C64 nach Berlin mitzunehmen.
Unglücklicherweise gab es zu dieser Zeit
einen  Anruf  meiner Klassenlehrerin bei
meiner  Mutter,  dass  das  Bestehen des
Probehalbjahres am  Gymnasium  gefährdet
sei.

So  wurde  angeordnet, dass der C64 noch
ein Jahr in Hannover zu bleiben habe und
die Priorität bei diversen Nachhilfekur-
sen zu liegen habe.

In dieser Zeit verschlang ich jede  Aus-
gabe der Zeitschriften "64'er" und "Hap-
py Computer". An den Wochenenden in Han-
nover  konnte  ich den C64 aber nach wie
vor nutzen. Ich programmierte ein  klei-
nes Spiel in  BASIC  und machte ein paar
Gehversuche in Assembler.

Nachdem  das Probehalbjahr bestanden war
und sich die Noten im gewünschten Rahmen
befanden,  konnte  der  C64 endlich nach
Berlin.  Hier  nutzte  ich  ihn mit GEOS
auch  zum  Schreiben  von  Referaten und
erfreute mich an zahlreichen  Automaten-
umsetzungen wie z.B. Thunder Blade, Out-
run und Afterburner.

Als der Informatikunterricht bevorstand,
wich  der  C64 einem 286'er AT mit Turbo
Pascal 5.0. Durch die Wende hatte er im-
mer noch einen guten Wert und konnte mir
so einen letzten Dienst zur Mitfinanzie-
rung  des  teuren Personal Computers er-
weisen.

Später  baute  ich  zahlreiche  PCs  für
Freunde  und  Bekannte zusammen. Hierbei
nahm ich noch den einen oder anderen C64
und C128 in Zahlung. So hatte  ich  auch
später  immer  noch Einblick in die 64er
Szene. Es war überraschend,  was  später
alles noch für Entwicklungen auf dem nun
10 Jahre alten 8 Bitter erschienen.

Während  ein  PC  für mich immer ein Ge-
brauchsgegenstand  war,  war  der "Immer
Ready-C64" fast schon ein guter Freund.
Mittlerweile  habe ich eine Sammlung von
zehn C64 in den verschiedensten  Ausfüh-
rungen. Durchstöbert man heute die alten
64'er Zeitschriften verwundert es schon,
dass  man  informationstechnisch  damals
eigentlich schon alles mit diesen 64 Ki-
lobyte, 1 MHz System machen  konnte  und
wozu man eigentlich für das bißchen mehr
an  Funktionalität  heutiger Systeme un-
zählige Gigahertz, Gigabyte und  vor al-
lem kWh mehr braucht.




                            WINTERMUTE _
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